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Franko Belgarien oder der Glücksritter vom Falkenberg

von Oda Plein

Franko Belgarien ist, das werdet ihr merken, wenn ihr ihm begegnet, ein Tunichtgut wie er im Buche steht. Mit seinen blonden Haaren, die er mit einem Lederband zu einem Zopf gebunden hat, seinen funkelnden blauen Augen und seinem charmanten Wesen, ist er selbst in der größten Menge nicht zu übersehen. Seine Leidenschaften, davor will ich euch gleich warnen, sind die Frauen und das Würfelspiel. Kein Rock ist vor dem jungen Mann sicher und selbst die gehörnten Männer sind ihm nicht lange böse, denn er ist gar zu liebenswert. Nun werdet ihr euch sicher fragen, warum ich euch von Franko erzähle. Klingt das doch alles recht erträglich. Doch ist es selten, wenn ein so junger Mann noch zu Lebzeiten zu einer Legende wird oder zumindest in eine verstrickt war und das ist eine Geschichte wert. Als jüngster Sohn eines angesehenen Hofmeisters hatte Franko alles, was er zum Leben brauchte. Ein wunderschönes Heim, eine gute Ausbildung und reichlich Silber standen ihm zur Verfügung. Doch die Lust auf das weibliche Geschlecht ließen den Jungen immer wieder wichtige Grenzen überschreiten. Einige glauben sogar, dass Franko schon so manche Nacht mit der Königin verbrachte, die aber bei solchen Andeutungen immer nur freundlich und zurückhaltend lächelt. Doch davon handelt die Legende, die ich euch versprochen habe, nicht. Eines Nachts, so wird erzählt, traf sich der gut aussehende Schwerenöter mit der Tochter eines reichen Kaufmannes. Junata war eine wunderschöne Frau. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr bis auf die zarten und doch etwas runden Hüften, ihre grünen Augen blickten verträumt in die Welt und ihr Busen … Na, vielleicht erblickt ihr sie selber einmal. Das junge Mädchen, bisher behütet und noch Jungfrau, erlag Frankos Schmeicheleien umgehend und soweit es bekannt ist, genossen beide das Schäferstündchen sehr. Doch danach war Franko unvorsichtig und lief dem Vater in die Arme. Empört und außer sich vor Wut befahl dieser die Heirat der beiden. Nun war es nicht das erste Mal, dass Franko so einer Verpflichtung gegenüber stand, doch bevor er auch nur damit beginnen konnte sich aus dem Schlamassel heraus zu reden, ergriff die Tochter des Hauses energisch das Wort. »Ich heirate einzig denjenigen, der mir eine Feder des goldenen Falken bringt«, stieß sie hervor und schloss sich in ihren Gemächern ein. Der Händler war zutiefst erschrocken, denn noch nie hatte jemand dem Falken so nahe kommen können, dass er eine Feder hätte erlangen können. Der Kaufmann und seine Tochter gerieten in eine heftige Streiterei, schrien und zeterten durch die verschlossene Tür, Franko aber nutzte seine Chance und verließ leise das Haus. Tymres Kopf hob sich und der junge Schreiber rutschte unruhig auf seinem Schemel hin und her. »Aber werte Junata, das ist doch Wa.., ich meine, ein Wagnis ohne Gleichen. Noch nie konnte jemand eine Feder vom goldenen Falken erlangen.« »Da hast du recht und deswegen werde ich auch die Einzige sein, die einen wirklichen Helden heiratet.« Junatas Augen blicken träumerisch aus dem Fenster. Ihre schlanken Hände ruhten am dunklen Holz des Rahmens. Der junge Schreiberlehrling legte seine Feder auf den Tisch, richtete den dürren Körper auf und rang verzweifelt die Hände. »Und wenn es keinem gelingt? Wenn ihr diesen Schwur öffentlich bekannt macht, dann gibt es kein Zurück mehr.« »Ach Tymre, du solltest mich doch verstehen. Für die wahre Liebe muss man Opfer bringen. Aus deinen Geschichten habe ich es doch erfahren.« Junata drehte sich verzückt im Kreis und sank dann in einen weichen Sessel. Ihr Busen wogte auf und ab, als sie tief seufzte. »Aber das sind nur Geschichten, das ist doch alles nicht wahr«, erwiderte er beschwörend. »Natürlich sind sie wahr. Zumindest ein wenig, sonst würde sie ja niemand erzählen. Du wirst schon sehen. Ein großer, gut aussehender Held wird sich für mich auf den Weg machen und dafür sorgen, dass ich mein ganzes Leben lang glücklich und reich sein werde.« Nun kicherte die junge Frau selig. Sie stand auf und trat zu ihrem Schreiber. Ihre zarten Hände strichen ihm sanft durch die stoppeligen Haare. »Mein lieber Freund, auch du wirst einst deine Heldin finden. Sie wird dich lieben und für immer dein sein, ganz egal wie hä….wie du aussiehst.« Tymre gab auf und schrieb, wie sie es verlangte, ihren Schwur auf. Bald prangten in der ganzen Stadt Zettel, auf denen in geschwungener schöner Schrift stand: Ich, Junata Branden verkünde hiermit, dass ich denjenigen heirate, der mir als erstes eine Feder des goldenen Falken bringt. Schnell machte diese Geschichte ihre Runde in Kelast. Da Junata ein sehr hübsches Mädchen und ihre Aussteuer ansehnlich war, machten sich einige junge Männer auf den Weg zum Falkenberg. Franko jedoch brach in schallendes Gelächter aus, als er davon hörte. »Wenn Junata an Märchen glauben will, dann soll sie nur. Deswegen setze ich doch nicht mein Leben aufs Spiel.« Wochen vergingen und keiner der jungen Helden kehrte zurück. Zuerst war Junata noch zuversichtlich und in romantischen Träumen gefangen. Doch langsam begann die Unsicherheit an ihr zu nagen. »Lieber Tymre, weißt du, ob sich noch weitere Männer auf den Weg gemacht haben? Hast du die Nachricht auch in den anderen Städten verkündet? Vielleicht lebt mein Traummann ja nicht hier in Kelast.« »Die Nachricht ist durch das ganze Land gegangen, werte Junata. Es sind gewiss viele auf dem Weg, um Eure Aufgabe zu lösen.« Der junge Schreiber lächelte aufmunternd, doch seine grauen Augen blickten sorgenvoll. »Und wenn sich mein Held aus irgendeinem Grund nicht auf den Weg machen kann?« Junata begann zu weinen. Tymre straffte seinen Körper. »Er wird gehen und die goldene Feder zu Euch bringen. Das ist in allen Geschichten so, also auch in dieser.« Der Abend war schon fast zu Ende und die Taverne leerte sich. Franko steckte zufrieden die erspielten Münzen ein und griff nach seinem Bier. »Franko Belgarien!« Eine dünne Stimme hinter ihm versuchte fordernd und streng zu klingen. Franko überlegte sofort, welcher der betrogenen Ehemänner ihn aufsuchte und drehte sich dabei mit einem versöhnlichen Lächeln um. »Das bin ich, was kann ich für Euch tun?« Ein dürrer Mann, mit ängstlichen Zügen, streckte ihm einen gefüllten Bierkrug entgegen. »Ihr müsst gehen und die goldene Feder erringen!« Franko wollte lachen, doch etwas in dem Blick seines Gegenübers hielt ihn zurück. Er ergriff den Krug und deutete auf eine Bank neben sich und setze sich davor auf den Tisch. Dann nahm er nachdenklich einen tiefen Zug von dem frischen Bier. »Es sind schon viele unterwegs, um die Feder zu holen«, versuchte er auszuweichen. »Wegen Euch hat die holde Junata ihren Schwur ausgesprochen, also müsst Ihr sie retten vor ewiger Einsamkeit.« Tymre klang vorwurfsvoll. Franko hob abwehrend die Hand. »Mit dieser verrückten Idee habe ich nichts zu tun. Wenn Junata glaubt, dass ein Prinz auf weißem Pferd bald vor ihrer Tür steht, dann erhofft sie sich eben die falschen Dinge.« »Aber sie darf nicht ohne einen Mann bleiben und wegen Euch hat das Ganze angefangen«, entgegnete Tymre trotzig. »Unsinn, sie wollte mich nicht mal, obwohl das seltsam ist, denn kurz zuvor seufzte sie vor Glück, nur weil ich sie angelächelt habe.« Der hübsche Schürzenjäger sprang auf und klopfte Tymre tröstend auf die Schulter. »Es wird sich schon einer finden«, versprach er gönnerhaft und ging zur Tür. Nach etwa zehn Schritten glitt er aus und fiel auf die Knie. »Verdammt, was war das denn? So viel Bier hatte ich gar nicht.« Er rappelte sich auf und wollte weiter gehen. »Ein Fluch«, flüsterte Tymre und seine Hände umklammerten die Tischkante. Wieder gehorchten Frankos Beine nicht und er ging zu Boden, bevor er die Tür erreichte. »Das darf doch nicht wahr sein, wollt ihr wohl richtig laufen«, fluchte er in Richtung seiner Füße und stand erneut auf. »Es ist ein Fluch«, wiederholte der Schreiber und duckte sich ängstlich. »Du redest wirres Zeug, wer sollte mich verfluchen oder…!« Er stockte und drehte sich langsam um. Tymre versuchte eine selbstsichere Miene aufzulegen, brachte aber nur eine lächerliche Grimasse zustande »Das Bier. Ich habe einen Trank hinein getan. Es wird erst wieder weggehen, wenn Ihr die goldene Feder erlangt habt«, erklärte der ängstliche Mann vorsichtig. Jetzt wurde das Gesicht des Schürzenjägers rot vor Wut. »Du hast dafür gesorgt, dass ich nicht mehr laufen kann, wegen einer blöden Feder und einer naiven, dummen Pute?« »Nein, ich habe gemacht, dass du dich von mir nicht weiter als zehn Schritte entfernen kannst.« Franko sank verwirrt auf einen Schemel »Warum denn das?« »Weil deine Versprechen nichts taugen und mir nichts Besseres eingefallen ist, wie ich dich dazu bringen kann zum goldenen Berg zu gehen. Also gehe ich hin, und du musst mir folgen.« Einen Moment später flog der erste Schemel durch die Taverne. Fluchend und brüllend nahm Franko sich den Schreiber vor und er ging keineswegs zimperlich mit ihm um, was das blaue Auge und die blutende Nase hinreichend bewiesen. Erst nach einer guten Stunde machten die beiden sich auf den Weg zum Stadtrand. Franko hielt Tymre am Genick und schleifte ihn in Richtung des Zigeunerlagers. Dort sollte der Schreiber dafür sorgen, dass die Shuvani (diese Bezeichnung wurde überliefert und bedeutet wohl so etwas wie Oberhexe der Sippschaft) den Fluch rückgängig machte. Schließlich hatte diese ihn auch verkauft. Doch als die beiden am Lagerplatz ankamen, war dort alles leer. Die Zigeuner waren fort Zwei Stunden und einige blaue Flecke später willigte unser Tunichtgut ein, sich auf den Weg zum Falkenberg zu machen. Tymre hatte sich vorbereitet und für Reittiere und Proviant gesorgt. Auch wenn Franko ihm nur murrend und fluchend folgte, fühlte er sich gut. Schon bald würde er Junatas Traum Wirklichkeit werden lassen. Natürlich hatte er Franko völlig falsch eingeschätzt, denn der wendete plötzlich sein Pferd und hieb ihm die Fersen in die Flanken. Das überraschte Tier wieherte erschrocken und galoppierte los. »Ich laufe ja nicht!«, schrie Franko über die Schulter. Dann flog er, mit einem mädchenhaften Quietschen, im hohen Bogen aus dem Sattel. Das Pferd rannte schnaubend weiter, bis es hinter dem nächsten Hügel verschwand. »Wir können nicht weiter laufen, schau dir meine Füße an«, jammerte der Schwerenöter und deutete anklagend auf eine kleine Blase an seinem linken großen Zeh. »Herr Belgarien, das ist keine schlimme Verletzung und wir müssen weiter gehen. Junata muss gerettet werden.« Tymre sprach geduldig und mit einem entschuldigendem Klang in der Stimme. »Warum?« »Weil sie sonst alleine bleiben muss. Das darf nicht passieren!« Der Schreiberlehrling stocherte in dem kleinen Lagerfeuer herum und vermied es auf zu sehen. »Warum nicht? Sie glaubt doch an den großen Helden, der sie errettet. Selber Schuld«, Franko zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich habe es gemacht«, flüsterte Tymre mit roten Ohren. »Was hast du gemacht? Hast du sie etwa auch verflucht?« Nun vergaß der Schönling sogar seine Blase. »NEIN, so etwas würde ich niemals tun.« Tymre sprang auf und warf entrüstet den Stock in die Flammen. Dann aber wurde er wieder leise. »Ich habe ihr die Geschichten erzählt, von den Helden und den Prinzen auf weißen Pferden und, dass alle wahr sind.« Für einen Augenblick wurde es totenstill, als Franko sein Gegenüber fassungslos anstarrte. Dann peitschte sein Lachen durch den Wald. »Du hast mich verflucht, weil du dumme Legenden erzählt hast, und denkst nun, du bist verantwortlich für Junatas Glück? Ich sitze hier im Wald, weil du ein schlechtes Gewissen hast? Jungchen, das ist die verrückteste Sache, in die ich jemals rein geraten bin.« Er wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht. »Selbst wenn du sie retten könntest, sie würde doch unglücklich werden, einfältiger Tropf du. Denkst du, sie wird bekommen, was sie sich so sehnlich wünscht? Sie wird doch irgendwann merken, dass ihr Held gar keiner ist. Es gibt keine Helden.« Der Schreiberlehrling war blass und erschrocken in sich zusammen gesunken. »Aber Ihr ward bei ihr in der Nacht und habt sie dann im Stich gelassen. Das macht ein guter Mann nicht.« »Sie wollte mich gar nicht, Jungchen. Ihr Vater wollte, dass wir heiraten, doch sie hat sofort ihre Bedingungen gestellt, und ist nicht darauf eingegangen. Woher willst du wissen, dass ich sie nicht geheiratet hätte?« Stille breitete sich aus. Tymres Lippen zitterten und er wischte sich über das Gesicht, bevor er antworten konnte. »Das hilft alles gar nichts. Der Fluch ist ausgesprochen. Also wirst du Junata die Feder bringen oder für immer an mich gebunden sein.« »Beides keine gute Lösung für mich«, antwortete Franko und grinste wieder. »Da werde ich wohl etwas anderes finden müssen.« Dann wickelte er sich in die verbliebene Decke, seine war mit dem Pferd verschwunden, und legte sich schlafen. Der nächste Morgen brachte hellen Sonnenschein, doch Frankos Gesicht verhieß nichts Gutes. Mit einem verschlagenen Lächeln schaute er Tymre an. »Wie wäre es, wenn ich dich einfach zwinge umzudrehen?« »Ich würde nicht mit Euch gehen« entgegnete der Schreiber und straffte die Schultern. »Dir.« Franko verdrehte genervt seine Augen. Der Schreiber hielt verwirrt inne. »Wie bitte?« »Dieses Ihr und Euch treibt mich in den Wahnsinn, du verklemmter Tintenklecks. Sprich endlich wie ein normaler Mensch, wir sind doch nicht in einer deiner Geschichten.« »Entschuldigung« murmelte Tymre unsicher. »Ich könnte dich bewusstlos schlagen. Das ist nicht gegen den Fluch.« Frankos Stimme war unheilvoll und lauernd. »Das geht, aber der Fluch wirkt trotzdem.« Tymre klang trotzig. »Dann bringe ich dich eben um und schleppe deine Knochen mit mir rum«, fauchte sein Gegenüber jetzt wütend und machte Anstalten aufzustehen. »Dafür müsst Ihr…du mich erst kriegen.« Der junge Mann sprang auf und rannte direkt in den Wald hinein. Franko blieb keine Wahl. Der Fluch zwang ihn, hinter dem Schreiber her zu laufen, wie ein treuer Dackel. Er fluchte und schrie dem jungen Mann Drohungen hinterher, doch schon bald verließ ihn die Kraft. So dünn und hager, wie Tymre auch war, er war schnell und hatte eine erstaunliche Ausdauer. Erst als Franko der Länge nach über eine Baumwurzel stürzte, hielt er an »Wir gehen zum Falkenberg du ehrloser Kerl, egal was du versuchst.« Franko wälzte sich schwer atmend auf den Rücken. »Du bist wahnsinnig und völlig verblödet«, keuchte er kraftlos. »Kann schon sein, aber wir holen die Feder und retten Junata.« »Liebst du sie etwa so sehr, dass du zusehen würdest, wie ein anderer sie zur Frau nimmt?« Der Taugenichts lachte hämisch. Tymre schaute ihn an und schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich um und ging langsam weiter in Richtung der Berge. Ohne die Pferde kamen sie nur langsam voran und Frankos schlanker Degen war keine geeignete Waffe zum Jagen. Die beiden Männer lebten in den nächsten Tagen von Beeren und Wurzeln, was Frankos Laune nicht wirklich verbesserte. Immer wieder versuchte er, sich von dem Fluch zu befreien und bewies dabei großen Einfallsreichtum. Er schlug Tymre bewusstlos und legte ihn in einen Bach (angeblich soll fließendes Wasser gegen diese Magie helfen). Ein anderes Mal verabreichte er dem Schreiber einige Kräuter, die dazu führten, dass sie zwei Tage lang im strömenden Regen an einer Felswand kauern mussten. Tymre wurde von schlimmen Magenkrämpfen gepeinigte und wurde so schwach, dass Franko ihm am Ende viele Meilen tragen musste. Dann versuche Franko einen Draschim, der ihnen begegnete, zu verprügeln, weil dieser ihm nicht helfen wollte (Magie ist nun mal nicht deren Gebiet). Dies war eindeutig die dümmste Idee, denn der Draschim sorgte dafür, dass Frankos Gesicht aussah wie ein ausgewürgter, gammelnder Kürbis. »Wieso machst du nur so was?« Tymre zerriss schockiert sein Hemd, um Frankos Gesicht zu kühlen. »Wir haben es doch schon fast geschafft.« Franko seufzte nur und presste seine Antwort nuschelnd zwischen den aufgeplatzten Lippen hervor. »Du zwingst mich mein Leben zu riskieren, um die dummen Fantasien einer Frau zu erfüllen. Hast du wirklich gedacht, dass ich mich damit anfreunde?« Erschrocken hielt der Schreiber in seinem Tun inne. »Du sollst doch nur die Feder….!« Franko unterbrach ihn zischend. »Es ist noch niemals einer zurückgekommen, der es versucht hat. Entweder gibt es diesen verdammten Vogel gar nicht, oder alle sind gestorben.« Lange herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern. Als der Schreiber sich wieder rührte, lag eine tiefe Verzweiflung in seinem Blick. »Es tut mir leid Franko, es tut mir so furchtbar leid. Ich wollte doch nur, dass es einmal ein glückliches Ende nimmt.« »Du bist ein romantischer Volltrottel«, brummte Franko, tunkte den Hemdfetzen ins Wasser und legte ihn auf sein Gesicht. In den folgenden vier Tagen kümmerte Tymre sich rührend um seinen Begleiter. Er suchte Essen, kühlte sein zerschundenes Gesicht und er erzählte ihm alle Geschichten und Legenden, die er kannte. Als der Zeitpunkt gekommen war, die Reise wieder aufzunehmen, machte er ein überraschendes Angebot. »Wir gehen nach Hause Franko. Ich darf dich nicht mehr in Gefahr bringen, ich werde einen anderen Weg finden die Feder zu erlangen.« Unser Glücksritter verschluckte sich, völlig überrascht, an der Wurzel, die er gerade kaute. »Du willst aufgeben? Hier am Fuß des Berges?« »Ich darf dich nicht weiter in Gefahr bringen, das ist nicht richtig. Wie kehren um und suchen jemanden, der den Fluch brechen kann.« Tymre wirkte entschlossen, seine Schultern waren noch gekrümmter als sonst, geplagt von seinem schlechten Gewissen. »Du hast keine Ahnung von Flüchen oder? Das habe ich alles schon überlegt. Weißt du eigentlich, wie lange es dauern kann, bis wir jemanden finden, der uns helfen kann?« Franko hob ergeben die Hände, als Tymre den Kopf schüttelte. »Wir haben keine Wahl du ausgefranster Federkiel. Wir müssen diese verdammte Feder finden und da irgendwie lebend raus kommen. Einen Fluch dieser Art zu brechen ist so gut wie unmöglich und glaub mir, ich weiß wovon ich rede. Ich habe eine Weile das Bett mit einer äußerst hübschen Zigeunerin geteilt. Ich war froh, dass sie mich irgendwann satt hatte. Hübsch, aber brandgefährlich dieses Weib.« »Und warum hast du dann diese dummen Sachen gemacht, um den Fluch zu brechen?«, fragte der Schreiber verwundert. »Weil ich, wenn ich in Schwierigkeiten stecke, in der Regel selber Schuld daran bin. Ich hasse es, Dinge zu tun, weil mich jemand oder etwas dazu zwingt. Außerdem war es einen Versuch wert.« Tymre sank mutlos auf den Boden. »Wirst du mir das irgendwann verzeihen?«, fragte er leise. »Wenn ich es überlebe, denke ich darüber nach. Allerdings schuldest du mir in dem Fall eine Geschichte, die nicht so schnulzig ist wie die anderen.« Und so begab es sich, dass Franko die Führung übernahm und die Beiden sich daran machten den Falkenberg zu erklimmen. Mühsam kletterten und zogen sie sich über spitze Kanten und lose Felsen. Etwa nach der Hälfte der Strecke zitterte Tymre so sehr, dass er einen Felsvorsprung verpasste. Panisch schrie er auf, als sein Fuß abrutschte und er zu stürzen drohte. Doch Franko ergriff seine Hand und zog ihn zu sich in Sicherheit. »Wage es ja nicht, uns auf diese Weise umzubringen, stell dir vor, wie ich nach so einem Sturz aussehen würde«, brummte er, klopfte dem Schreiber aber beruhigend auf die Schulter. Tymre schnaufte nur erleichtert und presste sich an die Felswand, als über ihnen ein schriller Schrei erklang. Beide hoben den Blick und ein goldenes Funkeln schwebte über sie hinweg. »Liebst du Junata wirklich so sehr?«, fragte Franko unvermittelt. Tymre schaute verwirrt auf. »Wie kommst du denn darauf? Ich liebe Junata nicht. Sie ist hübsch und reich, das stimmt, aber sie ist oberflächlich und dumm. Sie lebt nur für ihre Träume, aber andere sollen sie ihr erfüllen.« Er zögerte kurz und sprach dann leise weiter. »Ich möchte, dass nur eine einzige Geschichte auf dieser Welt wirklich wahr ist und ein gutes Ende hat.« Franko grinste kläglich. »Ganz schön Böse, dass ich dafür herhalten soll, findest du nicht?« Tymre sackte in sich zusammen. »Es tut mir wirklich leid, mein Freund, ich wusste keinen anderen Weg. Die Menschen brauchen doch wahre Legenden, damit sie die Hoffnung nicht verlieren.« Unser Glücksritter verdreht ergeben die Schultern und zog den Schreiber den Rest des Berges hinauf. Auf der Spitze des Berges erwartete die Männer ein seltsames Bild. Das felsige Plateau war übersät mit dutzenden goldenen Statuen. Manche hatten eine Waffe erhoben, andere bittend die Arme ausgestreckt. Einige knieten flehend, andere hatten die Münder weit geöffnet, als würden sie schreien. Jede von ihnen aber umklammerte eine goldene Feder. Genau in ihrer Mitte prangte ein riesiges Nest mit drei glänzenden Eiern darin. Der Ruf des Falken schallte schrill und kampfeslustig über sie hinweg. »Deswegen ist keiner wieder gekommen.« Mutlos und verzweifelt sank der Schreiber auf den Boden. »Zumindest würde ich auf ewig gut aussehen.« Franko setze sich neben ihn und zuckte die Schultern. Ratlos blickten die beiden umher, während der Falke mit einem auffordernden Ruf über sie hinweg flog. Langsam schwebte eine goldene Feder herab und landete vor ihren Füßen. »Du könntest sie nehmen und ich trage dich dann zurück«, schlug Franko vor. »Dann musst du Junata heiraten«, entgegnete Tymre und beide schüttelten resignierend den Kopf. Und so saßen sie beieinander und grübelten über dieser unmöglichen Aufgabe. Ihr würdest euch wundern, auf was für Lösungen sie kamen, doch immer wieder wurde beiden klar, dass jede von ihnen zum Tod führen würde. Als die Sonne zu sinken begann, sprang Falko wütend auf. »Was ist mit deinen dummen Geschichten? Steht denn in keiner etwas, das uns helfen kann?« Tymre sah seinen Freund grübelnd an. »Sie zeigen immer einen Weg, an den niemand vorher gedacht hat, oft müssen die Helden auf etwas verzichten oder etwas selbstloses tun.« Franko zog die Augenbrauen hoch. »Du meinst so wie bei den Frauen? Gib etwas und nur dann kannst du etwas bekommen?« Tymre nickt bestätigend, etwas überrascht, dass sein Freund tatsächlich ein wenig Weisheit besaß. Mit einem hoffenden Ruf landete der goldene Falke in seinem Nest. Franko stöhnte auf. »Ganz ehrlich Tymre, ich glaube, da wird uns nur etwas völlig Verrücktes weiterhelfen.« Der Schreiber schaute in fragend an, doch als Franko auf das Nest deutete, begannen seine Augen zu leuchten. »Du denkst wir müssen die Federn den Falken zurückgeben oder?« Der nickte entschlossen. »Die Frage ist nur wie.« Tymre ging zu den Statuen und untersuchte sie aufmerksam. »Sie alle umklammern die Feder ganz fest, als würden sie sie nie wieder…. …..hergeben wollen, vollendete Franko den Satz und nickte heftig. Und so entschlossen sich der Glücksritter und der Schreiberling diese Geschichte gemeinsam zu einem guten Ende zu bringen. Tymre schob die goldene Feder in Frankos offene Hand und schütze diese dann vor den störenden Winden. Zusammen trugen sie ihre Gabe zum Nest und legten sie sanft auf eines der Eier. Eine tiefe Stille legte sich auf die Spitze des Falkenbergs. »Das war nicht richtig« flüsterte Tymre. »Es reicht nicht« entgegnete Franko und sah sich suchend um, als sein Blick auf die erstarrten Statuen fiel. Vorsichtig zog er Tymre zu einer der Figuren und sie hielten die offenen Hände unter dessen erstarrte Finger. Die Feder begann sanft zu leuchten und glitt dann Stück für Stück aus ihren Gefängnis heraus. Sieben Tage und sieben Nächte brauchten sie, um dem Falken alle Federn zu bringen. Als sie die Letzte auf die nun bedeckten Eier legten, schrie der Falke laut auf und ein gleißendes goldenes Licht hüllte die Männer ein. Als sie erwachten, fanden sie sich auf bunten Decken liegend, an einem Lagerfeuer wieder. Die Shuvani erklärte ihnen zufrieden, dass sie die ersten seit siebenhundert Jahren waren, die es geschafft hatten der Gier zu widerstehen und somit einem kleinen Falkenbaby das Leben geschenkt hatten. Als Belohnung löste sie den Fluch, der auf ihnen lastete, doch war inzwischen eine Verbindung zwischen ihnen entstanden, die sich nicht mehr lösen ließ. Und so kam es, dass der Glücksritter und der Schreiberling nun gemeinsam durch die Welt ziehen. Junata aber musste lernen, dass jeder selbst für sein Glück verantwortlich ist. Nach einigen Jahren des erfolglosen Wartens, lernte sie einen Kaufmannssohn kennen, den sie ehrlich liebte. Gemeinsam suchten sie sich eine gewöhnliche Falkenfeder, ließen sie vergolden und nahmen so ihr Glück selber in die Hand